„Mit illustrierten Büchern entstehen die Worte durch Bilder. In einem stillen, inneren und sehr persönlichen Prozess spricht der Leser die Worte der Geschichte in sich selbst aus.“ (nach W. Benjamin)
Illustrierte Bücher ohne Text wirken für manche durch das Fehlen von geschriebenen Worten zunächst schwerer zugänglich, weil sie nicht den Komfort bieten, die Bedeutung buchstäblich zu konstruieren. Aber auch Bilder lassen sich lesen – und zwar in allen Sprachen der Welt: Mit der aufmerksamen Wahrnehmung von dem, was von einem Übergang zum nächsten passiert, wird das Erkennen und Interpretieren von Entwicklung und Sinn in besonderer Weise angeregt. Mit dem Fluss der Bilder, dessen Geschwindigkeit von den Kindern selbst ganz individuell gesteuert, unterbrochen, beschleunigt oder zur Ruhe gebracht werden kann, nehmen die Betrachtenden eine aktive Rolle ein. Keine Form des Lesens ist universeller und zugleich persönlicher als eine Bildergeschichte. Oft lässt sich beobachten, dass Kinder immer wieder zu diesen Büchern greifen, mit anderen darüber sprechen, versteckte Details und logische Zusammenhänge suchen. Und viele lieben auch die Stille, die sie umgibt, wenn sie „lesen“. Ein treffender Name für „Bücher ohne Worte“ ist daher auch „Silent books“.
Ein Vortrag zum Thema: https://opus4.kobv.de/opus4-bib-info/frontdoor/index/index/docId/2411
Aktuell zum Thema (Stand: 2022): https://www.zeit.de/2022/28/kinderbibliothek-lampedusa-literatur-silent-books
Titel-Tipps: https://kinderbuch-detektive.de/bilderbuecher-brauchen-keine-worte/?p=2169
Projektbeispiel zu „Bilderbüchern ohne Worte“ als für Kinder als verschiedenen Nationen in Lampedusa und anderswo: http://waldworte.eu/2014/08/13/silent-books-libri-senza-parole-ein-bibliotheksprojekt-fur-lampedusa/
Der aktuelle Buch-Tipp: http://waldworte.eu/2015/08/31/von-der-stillen-freude-die-kommt-und-geht-und-kommt-silent-book-aus-brasilien/
Dabei ist zu betonen, dass es bei dem Angebot von „Bilderbüchern ohne Worte“ in Bibliotheken nicht darum geht, eine schnelle Antwort zu geben auf die wechselnde Nachfrage schwer zu beschaffender Sprachausgaben. Vielmehr ist das Betrachten von Bilderbüchern ohne Worte mit besonderen Chancen und Eigenschaften verbunden – und das ganz besonders in der Lebenssituation von Kindern, die unter belastenden Bedingungen ihre Herkunftsländer verlassen haben und nun anderswo eine geschützte Umgebung suchen:
- Bücher ohne Worte schaffen es, komplexe und originelle Geschichten zu erzählen, die überraschen und begeistern – und zwar Leser aller Altersgruppen und aller Sprachen. Sie scheinen das perfekte Werkzeug zu sein, um Barrieren zu überwinden.
- Viele vermitteln Bilder aus aller Welt, die jeder lesen kann, ohne die Sprache des Autors zu verstehen. Solche Bilder können neue Geschichten hervorbringen, vielleicht sogar Ideen vom Sinn des Lebens.
- „Stille Bücher“ können Inseln sein, im wahrsten Sinne des Wortes, auf denen die Zeit und Gedanken sich in einem uralten Rhythmus bewegen, und wo eine scheinbar einfache Geste eine vielfältige Bedeutung und Kraft in sich trägt.
- Besonders Zuwanderer sind dem Risiko ausgesetzt, in einer Welt ohne Geschichten und ohne eine gemeinsame Sprache zu leben. In dieser Welt beleben Bücher ohne Worte Empfindungen und Austausch und knüpfen an gemeinsame Wörter und Erinnerungen an.
- Die Bildsprache ist eine universelle Sprache, die Kinder aller Nationalitäten und Altersgruppen näher zusammenbringen kann, da Kinder – wie Künstler – in Bildern denken. Es ist eine Sprache, die im Stillen eine Begegnung mit Geschichten fördert, mit diejenigen, die anders sind als wir, und auch mit uns selbst.
Susanne Brandt, Lektorat Büchereizentrale Schlewsig-Holstein
Weitere Informationen zum Thema: http://www.bz-sh-medienvermittlung.de/?p=934
Ein Gedanke zu „In allen Sprachen lesbar – „Bilderbücher ohne Worte“ für Familien aus verschiedenen Herkunftsländern“
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