Das besondere Buch: Mit Gespür für Wunder einfach erzählt

Foto: S. Brandt, bzsh/  zu den Rechten: www.ohrenkuss.de

Es gibt Bücher, die manchmal erst beim genauen Hinschauen ihre Bedeutung offenbaren. Ein solches Buch wird auf der Empfehlungsliste für Büchereien in Schleswig-Holstein im Februar (18E06) vorgestellt. Deshalb bereits an dieser Stelle das Angebot,  mehr über das Buch zu erfahren als das, was die Rezension nur in aller Kürze vermitteln kann:

Das „goldene Birkenzweiglein“ von Achim Priester ist eine kleine Kostbarkeit: Nicht nur, weil es mit seinem goldenen Umschlag, seiner sorgfältigen Gestaltung und feinen Illustration sehr hochwertig wirkt, sondern weil hinter den besonderen Geschichten dieser Sammlung eine besondere Geschichte steht: Diese handverlesenen Kunstmärchen für kleine und große Menschen stammen aus dem großen Fundus des Autors Achim Priester, der als Mensch mit Down Syndrom für das Magazin „Ohrenkuss“ geschrieben hat, vor allem aber seit seiner Jugend literarische Texte voller Fantasie und feinem Humor verfasst – mit dem Anliegen, Menschen (und ganz besonders Kindern!) Freude damit zu machen.

Mit schönen Worten einfach erzählen

Früh inspiriert von James Krüss und Otfried Preußler spielt der Autor gekonnt mit traditionellen Märchenmotiven und originellen neuen Einfällen. Er lässt den „Grimmschen Märchenton“ anklingen, gibt ihm aber zugleich eine eigene, oft etwas schelmische Note.

Foto: S. Brandt, bzsh / zu Rechten s. www.ohrenkuss.de

Dabei rutscht der Duktus seiner Texte nie ins Pathetische oder Moralische ab, sondern ist von einer erfrischenden Natürlichkeit und sprachlichen Farbigkeit geprägt. Während moderne Kunstmärchen nach traditionellen Mustern oft in der Gefahr stehen, bemüht bedeutungsschwanger, nostalgisch oder rührselig zu geraten, gelingt dem Autor hier ein besonderes Kunststück:  Sein Erzählen zeigt eine echte Liebe zur schönen Sprache, wirkt ehrlich und einfach – aber nicht platt. Sein tiefer Wunsch, Kinder mit seinen Geschichten zu erreichen und zu beglücken, ist nicht pädagogisch ambitioniert, sondern wird als Herzenswunsch spürbar.

Märchen aus dem Leben lebendig vermitteln

Als „5-Minuten-Geschichten“ (mal etwas länger, mal etwas kürzer) mit einer jeweils schlüssigen Dramaturgie voller Fantasie und überraschenden Wendungen eigenen sich die Märchen ganz hervorragend zum Vor- und Selbstlesen für alt und jung. Zugleich steckt in ihnen ein interessantes Potential zur musischen und spielerischen Entfaltung.

Ein Beispiel:

In dem Märchen „Hans mit den klingenden Pantoffeln“ geht es um die Suche nach der verschwundenen Musik. Damit die verlorenen Töne den Weg zurück ins Königreich finden können, muss es gelingen, von der Hexe die klingenden Pantoffel zu ergattern, mit denen sie die Musik verschleppt hat. Natürlich ist das nicht einfach und ohne Pannen und Gefahren kaum zu schaffen. Aber das Abenteuer nimmt eine glückliche Wendung und zur Hochzeit mit der Prinzessin erklingt erst die Musik der tanzenden Pantoffel und schließlich auch der Gesang der Vögel. Noch ist die Gefahr nicht gebannt, aber die Musik hat erneut den Weg in die Welt gefunden und daran zerbricht am Ende der böse Zauber.

Rund um dieses Märchen lassen sich beim Erzählen und im Anschluss an die Geschichte vielfältige spielerische Mitmachmöglichkeiten mit den Kindern entwickeln, zum Beispiel…

  • durch Singen und Spielen von kleinen Liedern oder improvisierter Musik in spielerischer Verbindung mit dem Text
  • durch Rhythmikspiele mit Pantoffeln und Schuhen als rhythmische „Instrumente“
  • durch ein „Pantoffel-Suchspiel“

Inklusion „beim Wort“ nehmen

Kurzum: Das „goldene Märchenbuch“ ist schmal – aber die Möglichkeiten, mit den kleinen Märchen vom Kinder- bis zum Seniorenalter Freude zu schenken, sind reich – wenn man sich dabei ein bisschen von der Fantasie und spielerischen Lust der Geschichten anstecken lässt.

In allen Bibliotheken, wo die Leser einen gut gepflegten Märchenbuchbestand zu schätzen wissen und dort gern auch mal etwas Besonderes entdecken, sollte dieses Buch nicht fehlen!

Und wo Inklusion „beim Wort“ genommen wird, trägt dieses kleine Buch dazu bei, die großartige Vielfalt an Gaben und Ausdrucksformen von Menschen zu würdigen, in ihrer Individualität sichtbar zu machen und im Austausch lebendig zu halten.

Susanne Brandt

Achim Priester: Das goldene Birkenzweiglein. Hrsg. von Bärbel Peschka. Köln, 2017

Infos: https://ohrenkuss.de/kiosk/29-das-goldene-birkenzweiglein-und-andere-maerchen.html

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