Fakten-Check bei Büchern – Argumentationshilfen für Bestandsaufbau und Beratung

Falschdarstellungen sind nicht allein im Netz ein Problem, bei dem Bibliotheken zur Sensibilisierung beitragen können. „FakeHunter“, die Aussagen kritisch hinterfragen, nach Möglichkeit überprüfen und versuchen, im Kontext des jeweiligen Fachgebiets zu betrachten, werden auch in Sach- und Fachbüchern immer wieder auf fragwürdige Thesen und Argumentationen stoßen. Vielleicht bleiben am Ende unterschiedliche Einschätzungen nebeneinander stehen. Aber die verschiedenen Positionen sollten bekannt sein und die Argumentation und Herleitung möglichts transparent dargestellt werden.

Jüngstes Beispiel: Beim aktuellen Spiegel-Bestseller „Feindliche Übernahme. Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht“ von Thilo Sarrazin fallen gleich mehrere sachliche Fehler auf, die zur Untermauerung von Thesen genutzt werden. Folgender Fakten-Check, initiiert von der AIWG – Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft, bei dem Wissenschaftler*innen und Expert*innen unterschiedlicher Fachgebiete versuchen, die Aussagen des Buches in Beziehung zum jeweiligen Stand der Froschung zu überprüfen und anderen Erkenntnissen gegenüberzustellen, können bei Diskussionen zu diesem Buch als Argumentationshilfe dienen. Gleichzeitig werden eine Reihe von weiteren Quellen und Buchtitel zum Thema genannt, die das Wissen in den angesprochenen Fragen erweitern können.

Faktencheck Sarrazin

Mehr zum Thema „Fakten-Check“ & Co.:

In der Oktober/November-Ausgabe der Zeitschrift „Bibliotheksdienst“, die Ende des Monats erscheint, wird unter der Überschrift  „Den Blick schärfen. Zum Umgang mit rechtspopulistischen Sachbüchern aus Lektoratssicht“ ein längerer Beitrag zum Thema, bezogen auf die Bibliothekspraxis, veröffentlicht, der (nicht nur auf rechtspopulistische Titel im engeren Sinne anwendbar) weitere Aspekte nennt, die bei Kaufentscheidungen und Beratungsgesprächen eine Rolle spielen können.

Zu den wesentlichen Punkten gehören dabei:

  • Fragen zur Sprache:

Von welchem Vokabular und Stil ist die Sprache geprägt? Sind zynische Bemerkungen, Häme, Polemik und abwertende Begriffe in Bezug auf bestimmte Menschen oder Menschengruppen dominant? Gehören Begriffe zum Vokabular, die man in einschlägigen Foren der sozialen Netze wiederfindet?

  • Fragen zum Umgang mit Fallbeispielen, Fakten und Belegen:

Wie verhält sich die Gewichtung der ausgewählten Fallbeispiele zur Realität unterschiedlicher Erfahrungen?  Wird zu geschilderten Vorfällen ein größerer Kontext gegeben, der mehrere Deutungen zulässt oder wirken die geschilderten Szenen eher aus dem Zusammenhang gerissen und  willkürlich  aneinandergereiht? Werden zu der geschilderten Problematik unterschiedliche Erfahrungen, Sichtweisen und Lösungsansätze mit ihren Vor- und Nachteilen diskutiert oder werden Vorfälle für bestimmte Absichten und Zwecke instrumentalisiert?

  • Fragen zu Auswahl und Nachweis von Quellen:

Welche Quellen werden herangezogen, um dargestellte Sachverhalte und Thesen zu untermauern? Welche für das Thema ebenfalls relevanten und belegten Erkenntnisse bleiben unberücksichtigt? Wird in der Argumentation eher pauschalisiert statt differenziert?

  • Fragen zur Achtung der Menschenwürde:

Zeigen die Darstellungen von Menschen und Menschengruppen Achtung vor der Würde aller Menschen? Werden bewusst diskriminierende Schilderungen und unzulässige Verallgemeinerungen gezielt eingesetzt?  Ist Anerkennung oder Abwertung dominant bei der Darstellung von Menschen mit ihren individuellen Eigenschaften? Werden emotional eher Ängste und Abwehrhaltungen geschürt, wo es auch Anlass zu Hoffnung, Ermutigung und Empathie geben könnte? Werden Lösungsansätze beschrieben, die sich an den Grundrechten orientieren?

Susanne Brandt

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